Achtsamkeitsübungen sind eine einfache, kraftvolle Möglichkeit, deine Aufmerksamkeit im Alltag zu trainieren und entspannter im Hier und Jetzt zu leben. Stress reduzieren, dein Leben bewusst genießen, die schönen Augenblicke bewusster wahrzunehmen … das ist ein Vorsatz, den du vielleicht auch schon gefasst hast.
Vertrauter sind uns aber oft Situationen wie diese:
- Du sitzt beim Frühstück, löffelst dein gesundes Müsli und bekommst gar nicht mit, was du eigentlich isst, weil du in Gedanken schon viele Stunden voraus bist und deinen Tag planst. Dabei würdest du lieber noch die Ruhe genießen, bevor es so richtig losgeht.
- Du bist in deinem Alltag eher gestresst, angespannt oder leicht genervt anstatt gelassen, konzentriert und innerlich frei?
- Du verstrickst dich immer wieder in Konflikten mit deinem Partner oder deinem Kind – dabei wünschst du dir, dass ihr diese Probleme endlich lösen könnt und zu der liebevollen Ebene zurückfindet, die euch ursprünglich verbunden hat?
Achtsamkeit im Alltag trainiert das Gehirn
Hier setzt Achtsamkeit an. Genau bei dem, was dich in deinem Alltag beschäftigt, was dich stresst, was dir Sorgen oder auch Freude bereitet. Achtsamkeitsübungen sind eine Möglichkeit, aus routinierten Abläufen auszusteigen. Das hilft, etwas inneren Abstand zu schaffen und bewusst mitzukriegen, was in deinem Leben passiert. Besonders hilfreich ist das in Beziehungen. Wir können unser Gehirn so trainieren, dass es uns unterstützt, mehr präsent zu sein – für uns und für andere.
Hier und jetzt da sein – das größte Geschenk
Das größte Geschenk, dass du dir und anderen schenken kannst, ist deine Präsenz. Normalerweise ist unser Gehirn mit unseren eigenen Spielereien beschäftigt. Wir planen und träumen uns durch den Tag, wir ärgern uns über dieses und jenes und lassen zu, dass eine Begegnung mit anderen nicht wirklich zustande kommt, weil wir gedanklich gerade anderweitig beschäftigt sind. Dabei ist Achtsamkeit so nah – in jedem Augenblick!
5 Achtsamkeitsübungen, die dich im Alltag stärken
Im Folgenden findest du fünf einfache und wirkungsvolle Übungen, die dich darin unterstützen, Achtsamkeit in deinem Alltag zu üben und präsent zu sein für dein Leben. Du wirst staunen, wie Achtsamkeit wirkt.
1. Achtsamkeitsübung – Einfach innehalten
Achtsam sein mitten im Alltag in drei Schritten:
- Innehalten. Mach eine kleine Pause und komme mit deiner Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment an. Dein Atem ist ein guter Anker, um dich im gegenwärtigen Moment zu spüren: nimm wahr, wie die Luft in deinen Körper einströmt und wieder ausströmt.
- Wahrnehmen. Beobachte, was du in deinem Körper spürst. Gehe von der Atembewegung zu den Empfindungen in deinem Brust – / Bauchraum. Gibt es Wärme, Kribbeln, Pulsieren, ein Gefühl von getrieben sein, Flucht- oder Kampfimpulse?
- Dich fragen: „Was denke ich gerade?“ Nimm wahr, welche Gedanken gerade durch deinen Kopf ziehen. Lass dich nicht von den Gedanken davontragen oder in Geschichten verwickeln, nimm einfach nur wahr, was du denkst – benenne den Gedanken und lass ihn weiterziehen.
Achtsamkeitsübungen wie diese bieten einen sehr kraftvollen Einfluss, denn diese Art der Selbstwahrnehmung schafft Wahlmöglichkeiten. Das spiegelt sich auch in deinem Kopf wider: Achtsamkeit kreiert „Entscheidungspunkte“ im Gehirn. Was das bedeutet? Egal, was dir dein Tag bringt: du kannst aus der bewussten Wahrnehmung heraus besser entscheiden, wie du mit bestimmten Situationen umgehen möchtest. Anstatt aus Frust oder Ärger heraus zu reagieren oder dir mit Selbstvorwürfen das Leben schwer zu machen, kannst du diesen kleinen Moment der Achtsamkeit nutzen, um inneren Abstand zu bekommen, bewusst wahrzunehmen, klug zu entscheiden und neue Wege zu gehen.
2. Achtsamkeitsübung – Kleine Schule des Genießens
Bevor du beim Essen überrascht bist, dass dein Teller schon leer ist, ohne dass du dein Mahl wirklich genießen konntest, probiere diese Übung mit einer kleinen Vor- oder Nachspeise.

Für meinen persönlichen Lieblings – Genuss – Moment suche ich gelegentlich eine gefüllte Schokoladenkugel aus. Sie besteht aus knackiger Schokolade außen, einem weichen Kern innen und – wenn du sehr achtsam wahrnimmst, kannst du vielleicht auch bemerken, dass sich die Füllung in deinem Mund etwas kühler anfühlt als die Schokolade außen rum. Du kannst natürlich auch andere Schokolade oder eine gesunde Frucht aussuchen.
Achtsam essen – so geht´s:
- Such dir eine Kleinigkeit zu essen, die du magst, das kann zum Beispiel ein Stück Banane, eine Mandarine oder deine Lieblingsschokolade sein.
- Betrachte deine Frucht oder was immer du dir ausgesucht hast genau von allen Seiten
- Rieche daran
- Spüre das Gewicht und wie es sich in deiner Hand anfühlt
- Nimm dann einen kleinen Bissen in den Mund und lege ihn auf die Zunge
- Fühle das Essen in deinem Mund, betaste es mit der Zunge: fühlt es sich hart oder weich an? Knackig oder matschig? Wie verändert sich die Konsistenz?
- Lege den Bissen dann zwischen deine Zähne und erlebe den Geschmack beim Beißen, der sich in deinem Mund entfaltet
- Kaue langsam, spüre, wie sich die Konsistenz im Mund verändert und schlucke etwas verzögert hinunter
- Nimm dir Zeit, den Nachgeschmack deiner Speise bewusst wahrzunehmen
Ich wünsche dir mit dieser Übung viel Freude beim Wiederentdecken des Genießens.
3. Achtsamkeitsübung – bewusst (barfuß) gehen
Achtsam gehen kannst du selbstverständlich bei jedem Schritt – ob mit Schuhen oder ohne. Anfangs ist es sicherlich am Einfachsten, das in Zeitlupe zu tun. Besonders spannend ist es, achtsames Gehen barfuß auszuprobieren.

- Richte deine Aufmerksamkeit auf deine Fußsohlen. Spüre bewusst, wie du einen Fuß anhebst, wieder senkst, und ihn dann langsam auf dem Boden abrollst. Dein Gleichgewicht verlagert sich und der nächste Schritt beginnt. Fokussiere deine Aufmerksamkeit auf die Empfindungen in den Fußsohlen – immer wieder neu: den Boden berühren und langsam abrollen.
- Spüre die Beschaffenheit des Untergrunds: Glatt, weich, steinig, feucht, nachgiebig – je nachdem, worüber du gerade gehst.
- Nimm die Temperatur des Untergrunds wahr. Gibt es Temperaturunterschiede – wärmere und kältere Flächen?
Weil wir in vielen Alltagsmomenten in Bewegung sind, kann das bewusste Gehen eine Möglichkeit sein, Achtsamkeit zu üben, ohne dass du extra Zeit dafür reservieren musst. Es ist eine Chance, wieder im Hier und Jetzt anzukommen.
4. Achtsamkeitsübung – Lauschen, was der Tag erzählt
Das bewusste Hören bietet eine wunderbare Möglichkeit, Achtsamkeit zu üben. Mach dir bewusst, dass du dich dabei nicht besonders anstrengen musst, um alles wahrzunehmen, was an Geräuschen in deiner Umgebung da ist. Es geht einfach darum, das, was wie von selbst an dein Ohr kommt, bewusst zu bemerken.
Und ja, es gibt diese Momente in deinem Alltag, da nimmst du vielleicht achtsam wahr, wie die Müllabfuhr kommt, anhält, die Tonnen ausleert und wieder weiterfährt (wahrnehmen – ohne zu bewerten;o). Und es gibt Momente besonderer Art: das leise Plätschern von einem Bach, das nächtliche Froschkonzert im nahen Weiher, die Stille auf einem Berg in 2000 Meter Höhe. Bei der folgenden Übung geht es darum, die ganz normale Geräuschkulisse – wo immer du gerade bist – hier und jetzt bewusst wahrzunehmen.
- Stimme dich auf das Hören ein.
- Lausche zunächst auf die vordergründigen, lauteren Geräusche…
- … und nimm als nächstes die leiseren Geräusche wahr – vielleicht dein Atem, ein Ruf in der Ferne, das Zwitschern von Vögeln, die weiter entfernt sind.
- Vielleicht kannst du auch die Stille zwischen den Geräuschen wahrnehmen.
- Nimm die Geräusche wahr wie eine Art Musik, die – mal lauter, mal leiser – erklingt und wie von selbst an dein Ohr kommt
- Unterteile nicht in angenehme oder unangenehme Geräusche, nimm wahr, was da ist, ohne zu bewerten.
Viele Menschen mögen es besonders, den Tag mit achtsamem Hören abzuschließen. Wenn deine Umgebung abends langsam zur Ruhe kommt und der Geräuschpegel sich verändert, kannst du die Gelegenheit nutzen, für ein paar Minuten in Stille zu sitzen oder in deinem Bett zu liegen und Geräusche bewusst wahrzunehmen. Wann immer sich Gedanken einschleichen und deine Aufmerksamkeit an sich ziehen, nimm das bewusst wahr. Und lenke dann deine Aufmerksamkeit wieder zum Lauschen zurück.
5. Achtsame Tätigkeit im Alltag
Eine wunderbare Möglichkeit, den Alltag zu entschleunigen und Achtsamkeit zu Üben, ist die Achtsame Tätigkeit im Alltag. Viele von uns versuchen, lästige Tätigkeiten möglichst schnell hinter sich zu bringen – das kostet viel Energie. Probiere mal aus, das, was du ohnehin zu erledigen hast, bewusst und mit voller Aufmerksamkeit zu tun. Dazu eignen sich z.B. folgende Handlungen:
- achtsam kochen
- bewusst abspülen
- mit voller Aufmerksmakeit duschen und deinen Körper reinigen
- Achtsamkeit beim Warten auf die U – Bahn oder an der Kasse (siehe Übung Innehalten)
- achtsam die Zähne putzen
- achtsam die Hand eines lieben Menschen halten
- achtsam das sich verändernde Licht wahrnehmen beim Sonnenauf- oder Sonnenuntergang
Achtsamkeit üben – das solltest du beachten
Unser Gehirn verankert Neues besonders gut, wenn wir es oft und in vielen Wiederholungen üben. Ich empfehle dir deshalb, dir zunächst eine Übung auszusuchen, die dich besonders anspricht und sie eine Woche lang drei Mal täglich für drei Minuten zu praktizieren. Und wenn du magst, kannst du in der folgenden Woche eine zweite Übung dazu nehmen.
Hindernisse überwinden mit Achtsamkeit
Es kann sein, dass du im Alltag bemerkst, wie schnell deine Gedanken dich davontragen und du mit deiner Aufmerksamkeit nicht mehr im Hier und Jetzt bist, sondern z.B. bei deiner to – do – Liste, deinen Sorgen, oder bei einem schwierigen Gespräch mit Kollegen. Es kostet manchmal Mühe, die Gedanken wieder und wieder zurück zu führen in den gegenwärtigen Augenblick. Ein erfahrender Achtsamkeitslehrer und eine Gruppe von Menschen, die mit dir gemeinsam auf dem Weg ist, sind gerade am Anfang eine tragende Unterstützung – insbesondere, wenn es um tiefgreifende Veränderungsprozesse in deinem Leben geht.
„Präsent zu sein ist alles andere als einfach“, schreibt Jon Kabat – Zinn, der Begründer des Achtsamkeitskurses MBSR (mindulness based stress reduction). Und doch ist es eine sehr lohnenswerte Übung – denn deine Präsenz ist das größte Geschenk, das du der Welt geben kannst.