Wir können tatsächlich glücklichere Menschen sein und weniger leiden, wenn wir die Verantwortung für unseren eigenen Geist übernehmen.
Prof. Richard Davidson
Mal ehrlich: wie oft hast du dir sich schon vorgenommen, dass du dich nicht mehr so stressen lässt? Mitten in der Hektik des Alltags gelassener zu bleiben – das bleibt oft nur ein guter Vorsatz. Wenn es darum geht, Achtsamkeitsübungen täglich zu üben, denken die meisten Menschen, dass sie dafür keine Zeit haben. In einem Alltag, der von einer langen to-do – Liste bestimmt ist, sich Zeit nehmen für Meditation? Das kann sich anfühlen, wie ein Feuer anzünden in einem Haus, das ohnehin schon brennt. Und doch gibt es viele, die genau das tun – in einem ausgefüllten Alltag sich täglich eine viertel Stunde Zeit nehmen, um zu meditieren. Was bewegt diese Menschen dazu? Und welche Wirkungen entfalten sich durch Achtsamkeit und Meditation in deinem Leben und oder deinem Gehirn? Erfahre hier mehr über Achtsamkeit und deren Wirkungen.
Wirkungen von Achtsamkeit – Stress reduzieren
Fragt man Menschen, die regelmäßig meditieren, was sie dazu bewogen hat, damit anzufangen, dann ist es manchmal einfach Neugierde. Viele Menschen allerdings erzählen von einer persönlichen Krise – Streit in einer Beziehung, erschütternde Erkrankungen, schlechtes Betriebsklima oder hohe Anforderungen am Arbeitsplatz. Die Erkenntnis, etwas verändern zu wollen wächst oft aus einer Leidensgeschichte, die den Anstoß gibt, Neues auszuprobieren.
Wie bei Barbara: die Beziehung zu ihrem Mann war schon monatelang durch viele Höhen und vor allem Tiefen gegangen. Irgendwann beschloss Barbara: so möchte ich nicht, dass mein Kind aufwächst. Sie trennte sich und war ab sofort alleinerziehend. „Ich zog wieder bei meinen Eltern ein. Es war eine harte Zeit. Ich arbeitete Vollzeit, war wieder auf die Unterstützung meiner Eltern angewiesen und es war schwer, den Prozess der Scheidung durchzustehen und gleichzeitig für meine zweijährige Tochter da zu sein.“ Heute ist sie 27 und glücklich, dass sie diesen Schritt gemacht hat. „Ohne regelmäßige Meditation hätte ich das nicht geschafft. Es hat mir geholfen, zu spüren, was gut ist für mich und es hat mich dabei unterstützt, meiner Tochter eine bessere Mutter zu sein.“
Zu den nachgewiesenen Wirkungen von Achtsamkeitsmeditation gehören die Reduktion von Stress und die Steigerung des Wohlbefindens. „Dass Meditation auch das Verhältnis zu Stress verändert und sogar den Pegel des Stresshormons Cortisol senkt, ist schon seit längerem bekannt“, schreibt Psychologie heute (3/2018). Teilnehmer einer Studie geben an, sie fühlten sich nach einem achtwöchigen Achtsamkeitstraining (MBSR) „glücklicher, energiegeladener und weniger gestresst“. Sie hatten das Gefühl, ihren Alltag „weit besser im Griff zu haben“ – Herausforderungen betrachteten sie eher als Gelegenheit zur Weiterentwicklung denn als Bedrohung (Williams, 2011) . Auch im Bereich Konzentration zeigen sich die positiven Wirkungen.
Wirkungen von Achtsamkeit – Aufmerksamkeit bewusst steuern
Markus, 46, Experte in der IT Branche, berichtet: „Ich bin völlig im Burnout gestrandet. Lange Zeit wurde ich nur durch die Frage angetrieben: Was gibt es als nächstes zu tun? Zwischen den hohen Anforderungen des Berufs, auftretenden Schwierigkeiten und strengen Abgabeterminen habe ich mich völlig aufgerieben – bis am Ende gar nichts mehr ging.“ In dieser Zeit konnte Markus sich nicht einmal mehr darauf konzentrieren, in seiner Freizeit ein Buch zu lesen – er litt unter Tinnitus und die innere Unruhe ließ ihn auch am Abend nicht mehr zur Ruhe kommen. Es war klar: so geht es nicht mehr weiter!
„Wer im Alltag ständig funktioniert und Anforderungen wie eine Maschine abzuarbeiten versucht, der kann nicht mehr flexibel auf schwierige Situationen reagieren“, so sagt der Gießener Psychologe Ulrich Ott. Der Schlüssel zur Lösung liegt seiner Meinung nach in der Schulung der Selbstwahrnehmung. Die Menschen könnten „… lernen, routinierte Handlungen nicht mehr wie ferngesteuert zu tun, sondern automatisierte Reaktionsmuster zu erkennen und einen Schritt zwischen Reiz und Reaktion zu schalten“. Meditierende beschreiben das in der Regel als mehr Bewusstheit und Gelassenheit im Umgang mit Herausforderungen.
Mehr darüber, wie Meditation wirkt, kannst du in diesem kurzen Video erfahren:
Die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu steuern und auszurichten, und sich nicht in Sorgen und Grübeln zu verlieren, kann man also bewusst einüben. Interessanterweise wird diese Fähigkeit in Studien mit dem Erleben von Glück in Verbindung gebracht. Prof. Richard Davidson bringt es auf den Punkt: „Wir können tatsächlich glücklichere Menschen sein und weniger leiden, wenn wir die Verantwortung für unseren eigenen Geist übernehmen“.
Wirkungen von Achtsamkeit – Angst und Niedergeschlagenheit reduzieren
Peter Sedlmeier, Professor für Forschungsmethodik und Evaluation am Institut für Psychologie in Chemnitz erklärt: „Im Grunde sind alle Meditierenden selbst Meditationsforscher – sie können an sich selbst beobachten, wie sich Meditation auswirkt. Viele von ihnen kommen offensichtlich zu dem Schluss, dass sich das Meditieren lohnt, denn sonst würden sie es nicht über viele Monate und Jahre hinweg betreiben.“
Wenn es darum geht, Angst zu bewältigen und unangenehme Gefühle zu reduzieren, gibt die Forschung ihnen recht (z.B. Mc Conville et al, 2017 oder Gotnik et al., 2015). Es ist durchaus normal, dass wir ab und zu negative bzw. unangenehme Emotionen erleben. Aber bei manchen Menschen zeigt es sich, dass einige traurige Gedanken eine ganze Kaskade von unerfreulichen Erinnerungen, negativen Gefühlen und harten Beurteilungen auslösen. Dabei sind in der Regel nicht die Gedanken an sich das Problem, sondern die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen. Oft verschlechtert sich unsere Stimmung weiter, während wir uns bemühen, die Ursachen für unsere schlechte Stimmung herauszufinden oder darüber grübeln, wie wir wieder herauskommen könnten.
Die Negativitätstendenz unseres Gehirns
Das sogenannte „Default Mode Network“ im Gehirn, das an diesen Prozessen beteiligt ist, ist bei Menschen mit depressiver Stimmung besonders aktiv. Man könnte sagen, es arbeitet frei nach dem Motto von Mark Twain „Ich habe in meinem Leben schon unzählige Katastrophen erlebt, die meisten davon sind nie eingetroffen“. Im Laufe unserer Evolution scheint es wichtig gewesen zu sein, dass unser Gehirn sich auf mögliche negative Ereignisse konzentriert, um Gefahren zu vermeiden – ein biologisch sinnvoller Vorgang. Problematisch wird dies erst, wenn unser Geist nicht abschalten kann, sich verselbständigt und wir so den Kontakt zu unserer lebendigen Gegenwart verlieren (vgl. Ott, 2019, S. 99f). Um die uns innewohnende Negativitätstendenz zu reduzieren, kann Achtsamkeit hilfreich sein. Eine Übung dazu findest du (demnächst) hier.
Eine Studie von Brewer et al 2011 zeigte, dass Meditierende in der Lage waren, die Aktivität des Default Mode Networks herunterzufahren. Und hier schließt sich der Kreis wieder, wenn wir uns die Aussage von Prof. Richard Davidson nochmal vor Augen halten: Wenn du in der Lage bist, deine Aufmerksamkeit bewusst zu lenken und aus negativen Gedankenspiralen auszusteigen – und genau das lernst du in einem Achtsamkeitstraining – könntest du tatsächlich auch ein glücklicherer Mensch sein?
Vielleicht magst du dir in Zusammenhang damit diese kleine überlieferte Geschichte zu Herzen nehmen:
Es kamen einmal ein paar Schüler zu einem Zen–Meister und fragten: „Herr, was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.“ Der Meister antwortete mit einem milden Lächeln: „Wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich …” Die Fragenden schauten etwas betreten. „Aber Meister, das tun wir auch", antworteten sie. Er entgegnete: „Nein – wenn ihr esst, seid ihr nicht bei der Sache; wenn ihr sitzt, dann überlegt ihr schon, wohin ihr geht; und wenn ihr geht, dann seid ihr schon am Ziel. So sind eure Gedanken immer woanders und nicht da, wo ihr gerade seid. Das eigentliche Leben aber findet in der Gegenwart statt. Hier habt ihr die Chance, euer Leben zu gestalten und wirklich glücklich und zufrieden zu sein.“
überlieferte Geschichte aus dem Zen