Mindful self compassion – wieso brauchen wir das?
Mindful self compassion, also achtsames Selbstmitgefühl brauchen wir, weil wir alle von Zeit zu Zeit im Leben vor Herausforderungen stehen. Bei den meisten von uns ist der Weg zu dem, was wir uns wünschen oder wovon wir träumen nicht geradlinig:
- es gibt Enttäuschungen,
- Beziehungen scheitern,
- wir machen Fehler,
- wir treffen Entscheidungen, die sich als nicht hilfreich herausstellen oder
- müssen mit beruflichen Rückschlägen zurecht kommen.
Gerade wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns erträumt haben, können Achtsamkeit und Selbstmitgefühl ein Schlüssel sein, um schwierigen Momenten im Leben mit Kraft und Zuversicht zu begegnen: nicht in Selbstmitleid zerfließen, nicht vor Selbstkritik oder Scham in Grund und Boden versinken, sondern „wieder aufstehen, die Krone richten und den nächsten Schritt gehen“.
Was ist mindful self compassion?
Als achtsames Selbstmitgefühl wird die Fertigkeit bezeichnet, sich selbst in schwierigen Augenblicken im Leben mit Freundlichkeit, Güte, Fürsorge und Verständnis zu begegnen – sich selbst sozusagen ein Verbündeter zu werden statt ein innerer Kritiker, Antreiber oder Nörgler.
Gerade wenn Dinge schief laufen entfaltet self compassion eine fast magische Kraft: Dr. Christopher Germer, der zusammen mit Kristin Neff das Training mindful self compassion – kurz MSC entwickelt hat, beschreibt Selbstmitgefühl als Wendepunkt in seinem Leben.
Warum ist Selbstmitgefühl wichtig?
Als renommierter Wissenschaftler und Autor im Bereich Achtsamkeit und Psychotherapie gewann seine Arbeit zunehmend Bedeutung und Anerkennung in der Fachwelt. Zunehmend wurden Anfragen für Vorträge an ihn herangetragen, z.B. von der Harvard Medical School.
„Das Problem war jedoch“ so beschreibt er in seinem Buch, „dass ich unter schrecklicher Angst litt, vor einem Publikum zu sprechen. Obwohl ich eine regelmäßige Meditationspraxis … aufrechterhielt und jeden einzelnen klinischen Trick für den Umgang mit Angstzuständen … ausprobiert hatte, raste mein Herz vor jedem öffentlichen Auftritt, meine Hände begannen zu schwitzen und es war mir schlichtweg unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.“
Selbstmitgefühl stellte nicht nur in seinem Leben einen Wendepunkt dar. Heute ist Christopher Germer ein begehrter Sprecher auf internationalen Konferenzen und die Wirkung von Selbstmitgefühl vielfach wissenschaftlich belegt.
Wie wirkt Mindful Self Compassion (MSC)?
Ähnlich wie auf dem Gebiet der Achtsamkeit ist auch die Zahl der Forschungsarbeiten zu Selbstmitgefühl in den letzten zehn Jahren explosionsartig angestiegen.
Studien zeigen, dass größeres Selbstmitgefühl es es mit sich bringt, dass Menschen…
- … sich zufriedener oder sogar glücklicher beschreiben, d.h. höhere Selbstwertschätzung und größere Dankbarkeit erfahren
- … Stress besser bewältigen, sie berichten z.B. weniger Druck, Ängste oder Sorgen erleben;
- … ihre Beziehungen erfüllter erleben, sie erleben z.B. größere Verbundenheit mit anderen und bessere emotionale Kompetenz
- … mehr Zufriedenheit mit dem eigenen Körper spüren
- … mehr Resilienz im Umgang mit herausfordernden Ereignissen wie z.B. Scheidung, gesundheitlichen Krisen oder auch Traumata zeigen.
Selbstmitgefühl entfaltet insbesondere dann seine besondere Wirksamkeit, wenn tiefsitzende Muster von Selbstkritik, Scham oder Perfektionismus erkannt und aufgelöst werden.
Wie schon die persönliche Erfahrung von Chris Germer zeigt, können wir unangenehme Gedanken oder Gefühle besser loslassen, wenn wir ihnen mit Fürsorge und Verständnis begegnen.
Achtsames Selbst-Mitgefühl (MSC) – wie kann ich das lernen?
Was du übst, wird stärker. Dieser Grundsatz aus der Gehirn-Forschung gilt nicht nur für Klavierspielen oder Achtsamkeit, sondern auch für Selbstfreundlichkeit.
Es gilt, die drei Kernkomponenten des Selbstmitgefühls weiter zu entwickeln. Diese sind:
- Achtsamkeit: Achtsamkeit ist die Voraussetzung, um eigenes Leiden auf gesunde Weise wahrzunehmen, ohne das Gefühl sofort zu verdrängen oder sich in grübelnden Gedanken darüber festzubeißen.
- Mitmenschlichkeit: Sie erinnert uns daran, dass viele Menschen sich von Zeit zu Zeit „nicht-gut-genug“ fühlen, Fehler machen oder eine Krise erleben. Das Bewusstsein darüber kann dazu führen, dass wir mehr Verbundenheit statt Isolation empfinden und weniger Selbstverurteilung passiert.
- Selbstfreundlichkeit: Sie beinhaltet, dass wir uns selbst mit Fürsorge, Freundlichkeit und Selbstwertschätzung begegnen, anstatt uns unter Druck zu setzen oder zu kritisieren.
Laut Kristin Neff kann Selbstmitgefühl verstanden werden als nach innen gerichtetes Mitgefühl – „compassion directed inwards towards the self“. Compassion schließt nicht nur die Fähigkeit ein, Leid zu erkennen, sondern auch den Wunsch bzw. die Motivation, es zu lindern – auch bei uns selbst.
Da Mitgefühl die Belohnungszentren in unserem Gehirn aktiviert, hat es die Kraft, eine Abwärtsspirale negativer Gefühle in einem einzigen Moment zu wandeln – eine enorm hilfreiche Fähigkeit, besonders bei zwischenmenschlichen Konflikten.
Wie kann das nun ganz konkret gehen?
Wege zu mehr Mitgefühl sich selbst und anderen gegenüber
Natürlich kannst du einzelne Praktiken schon jetzt in deinen Alltag integrieren. Viele Menschen machen z.B. sehr positive Erfahrungen mit Selbstmitgefühls-Sätzen. Mittlerweile gibt es zudem Programme, die speziell dafür entwickelt worden sind, Teilnehmer dabei zu unterstützen, Selbstmitgefühl ganz konkret in ihrem Alltag einzuüben.
Drei unterschiedliche Möglichkeiten möchte ich dir hier vorstellen, nämlich zwei Kurse und einen Ansatz aus dem Bereich der Psychotherapie:
- MSC – mindful self compassion (so heißt das Programm auch in Deutschland)
- MBCL – mindfulness based compassionate living
- IFS – internal family systems
Was ist ein MSC-Kurs?
Das Mindful Self-Compassion (MSC) ist ein evidenz basierter 8-Wochen-Kurs, der von Kristin Neff und Chris Germer speziell dafür entwickelt wurde, eine Haltung von Selbstfreundlichkeit und Selbstmitgefühl nachhaltig zu kultivieren.
Der Kurs geht sehr übungsorientiert vor und unterstützt dich dabei, mitfühlend mit dir umzugehen, insbesondere bei Schwierigkeiten und Herausforderungen.
Was ist ein MBCL-Kurs?
Mindfulness-based compassionate Living (MBCL) ist ein neuerer Kurs, der von Dr. Erik van den Brink und Frits Koster entwickelt wurde. Neben den Erkenntnissen und Übungen von Germer und Neff spielten auch andere renommierte Ansätze eine Rolle, wie z.B. das „Stärken des Positiven“ nach Rick Hanson, die „RAIN-Meditation“ von Tara Brach oder Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften, die dir helfen zu verstehen, wie du aus dem Stress-Modus herauszutreten kannst.
Auch dieser 8 Wochen Kurs zielt darauf ab, Menschen zu ermutigen, sich selbst (und andere) mit mehr Freundlichkeit und Mitgefühl zu behandeln und Stress besser zu bewältigen.
Weitere Informationen und Termine zum MBCL-Kursprogramm findest du hier.
Für wen ist MSC oder MBCL geeignet?
Grundsätzlich kann jeder kann an diesen Kursen teilnehmen – ideal ist es, wenn du bereits Erfahrung mit einem MBSR-Kurs gesammelt hast und/oder regelmäßig meditierst.
In den Kursen wirst du durch Achtsamkeitsübungen, Meditationen, Journaling, sogenannte kontemplative Dyaden und mitfühlende Selbstreflexion ermutigt, dir deiner Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bewusster zu werden. So lernst du auf mitfühlende Weise und mit mehr Leichtigkeit durch die Turbulenzen deines Lebens zu navigieren.
Es gilt zu bedenken, das das Üben des Selbstmitgefühls auch mit Herausforderungen einhergeht: Nicht in jedem Moment lässt sich ein schwieriges Gefühl durch die Kraft des Selbstmitgefühls wandeln. Achtsamkeit ist hilfreich, um sich auch in diesen Momenten diesen Gefühlen freundlich zuzuwenden anstatt sie zu verdrängen oder sich von ihnen abzukapseln.
Das IFS – Modell – ein traumasensibler Weg zu Selbstmitgefühl
Die Forschung bestätigt, dass beide Kursprogramme herausragende Möglichkeiten sind, achtsames Selbstmitgefühl einzuüben und somit eine Haltung von Selbstfreundlichkeit in deinem Alltag mehr zu verankern. Das IFS-Modell (internal family systems) als dritte Möglichkeit zeigt einen ganz neuen Zugang auf.
Das Internal Family Systems Modell (IFS) von Richard Schwartz basiert auf dem Konzept, dass jeder Mensch verschiedene innere Anteile in sich trägt, wie z.B. innere Antreiber, das innere Kind, den inneren Kritiker usw. Jeder dieser Teile steht mit bestimmten Gefühls- und Gedankenmustern in Verbindung. Achtsamkeit ermöglicht uns, die Gedankenmuster, Empfindungen und Gefühle, die mit inneren Anteilen einhergehen, bewusst wahrzunehmen und mit ihnen in Beziehung zu treten.
Und obwohl z.B. kritische Teile uns gelegentlich das Leben zur Hölle machen können, geht Schwartz fest davon aus: es gibt keine „bad parts“. Wesentlich an seinem Ansatz ist die radikale Annahme, dass jeder innere Anteil etwas Gutes für dich möchte und integriert werden kann, indem du ihm mit Freundlichkeit und Verständnis begegnest.
Selbstmitgefühl als natürliche Ressource in jedem Menschen
Das ist möglich, weil jeder Mensch über einen heilen inneren Wesenskern verfügt, das sogenannte Selbst. Durch innere Dialoge wird der Zugang zum Selbst mit seinen Qualitäten von Verbundenheit, Mitgefühl, Wärme und Interesse gestärkt. Das hilft dir, innere Anteile bewusst wahrzunehmen und ihnen mit Fürsorge und Verständnis zu begegnen, statt sie zu verurteilen.
So betont das IFS-Modell Selbstmitgefühl und Verbundenheit als Schlüsselkomponenten für die Heilung und Entwicklung des Einzelnen. Es bietet einen neuen Blick auf aktuelle Probleme und hilft Menschen dabei, schwierige Emotionen zu verarbeiten und Zugang zu ihrem inneren Potential zu finden.
In den letzten Jahren hat sich IFS von der klassischen Psychotherapie hin zu einer Lebenspraxis entwickelt, die einen liebevollen Umgang mit eigenen der Innenwelt in den Fokus nimmt und so zu erstaunlichen Veränderungen im alltäglichen Leben führt. Viele Menschen, die Achtsamkeit oder Selbstmitgefühl üben, erleben IFS als wirksame Bereicherung ihrer täglichen Praxis.
Bist du neugierig geworden? Weitere Informationen und Termine für einen IFS-Vortrag oder IFS-Selbsterfahrung findest du hier.
Nächste Termine für mindful self compassion: MSC, MBCL – Kurse und Vorträge zum IFS-Modell im Überblick:
Einen 8 Wochen Kurs MSC (online) findest du demnächst hier.
Einen 8 Wochen Kurs MBCL (online) findest du hier:
Einen live Online-Vortrag zum IFS- Modell findest du hier :